Kulturblog der LOCAL FIST Deutschland





Kulturblog der
LOCAL FIST Deutschland.

Diese Seiten dienen dem Informationsaustausch. Sie können hier unangemeldet und anonym Kommentare abgeben. Sie können Fragen stellen oder sich direkt an die LOCAL FIST wenden: mailto:inform@local-fist.com. Spiesser-Kultur bekämpfen! Kulturrevolution einleiten!
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14.10.12

ALLGEMEINE ÜBERPRÜFUNG

WANSE

Mit diesem Beitrag möchten wir den* LF-Kulturblog seiner eigentlichen Bestimmung zuführen: Wir möchten über die Voraussetzungen und Perspektiven kultureller Arbeit unter den Bedingungen des totalen Marktes sprechen. Ich werde etwa wöchentlich eine Frage stellen und lade jedermann herzlich dazu ein, sich an ihrer Beantwortung zu beteiligen.



Die formalen Dinge werden dabei wie folgt gehandhabt: 

Jeder Beitrag kann voraussetzungslos (also ohne vorherige Anmeldung usw.) unter der Funktion "Kommentar" (klein, hellbraun, ganz unten) verfasst werden. Jeder eingehende Kommentar wird von mir dann schnellstmöglich unverändert als Beitrag veröffentlicht. Notfalls teilen Sie Ihren Beitrag in mehrere Teile (Anzahl der Zeichen ist begrenzt). Grundsätzlich bitte ich um folgende Angaben: 1.) Name (falls gewünscht, ansonsten Angabe zB. "anonym"2.) Beruf (zB. "Künstler")


Bitte außerdem beachten: 1.) Sollten Sie sich zu einer anderen als der gerade aktuellen Frage äußern wollen, geben Sie mir bitte einen entsprechenden Hinweis (siehe auch Punkt 4)Ich werde Ihren Kommentar dann an der geeigneten Stelle publizieren. 2.) Sollte sich Ihr Beitrag auf einen anderen, bereits veröffentlichten Beitrag beziehen, geben Sie bitte den entsprechenden Bezug an. Ich werde Ihren Kommentar dann an der geeigneten Stelle publizieren. 3.) Etwaige Links bitte gesondert angeben! Ich werde sie entsprechend anfügen oder mit den geeigneten Textteilen verbinden. Links müssen in Klammern "( )" an der jeweils beabsichtigten Stelle angegeben werden. Eine solche Angabe wird von mir dann dem jeweils direkt vorhergehenden Passus zugeordnet. 4.) Wenn Sie Mitteilungen machen wollen, die nicht publiziert werden sollen, setzen Sie diese bitte in Klammern unter Einfügung der Präambel "ex:". Alles, was innerhalb der Klammer steht, wird dann nicht von mir in den zu publizierenden Beitrag übernommen.


*("Das Blog" klingt unendlich beschissen. Deshalb von nun an hier immer Maskulinum! L.W.) 

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Überprüfung 1 / Oktober 2012





18. Okt./ Christian Riebe/ Künstler (in der LF seit 2008)>

Die Schwäche der Gegenwartskunst zeigt sich natürlich am deutlichsten in ihrer Schwäche. Das heißt, in ihrer mangelnden Ausgangsleistung. Wie kann man die messen? Indem man „Normal 0“ findet.
  Um „Normal 0“ zu finden, suchen wir ein mittleres Einkaufszentrum etwas außerhalb der Stadt auf und setzen uns möglichst gelassen in dessen Mitte, z. B. zum Eis-Italiener unter das zentrale Glasdach (fast immer: „SanMarco“). Links müßte jetzt der Kick-Markt sein und rechts die CARE FOR HAIR- Filiale, wo die zeitgemäßen Kopfformen hergestellt werden. Was wir jetzt um uns herum sehen, ist zweifellos der Zustand „Normal 0“: Die Bewohner der Bundesrepublik Deutschland wühlen müde oder mäßig erregt in verschiedenen Warensortimenten. Von oben wird dazu sanft debile Radiomusik eingespielt. Viele „neue Senioren“ sind unterwegs (Ganzkörper-Jeans, scharlachrote Schirmmützen auf 70jährigen Köpfen), ebenso viele Junioren, standardisiert wie ein SA-Trupp und mindestens beidseitig beschriftet mit den Insignien der Macht: vonDutch, adidas, oder auch nur traurig: McNeal. Es geht hier unter dem Glasdach um das Verschieben kleinerer Geldsummen, um ein preiswertes Saugen am öffentlichen Euter des gemäßigten Wohlstandes, oder wenigstens um einen billigen Etappensieg im verbissenen Krieg gegen die Langeweile. Denn die Langeweile ist der infernalische Hauptfeind, der längst überall ge-endsiegt hat: zahlreich warf er ringsum seine geschlagenen Opfer aufs Plastikgestühl, nicht ohne sie vorher sichtbar mit Korpulenz, Triefäugigkeit und grindiger Gesichtsmaserung zu brandmarken. 

Soziologisch betrachtet haben wir hier zweifellos ein gesellschaftliches Endstadium vor Augen, sozusagen eine soziale Nahtod-Erfahrung: einen Klumpen aus vollkommen isolierten Halbmenschen, ein modulares Geflecht, das durch Addition unendlich vieler Nullen eine gigantische, historisch relevante Super-Null inthronisiert. Lobotomie als sozialer Standard. Kurz, wir befinden uns mitten in der „Euro-Zone“, dem zentralen Herrschaftsbereich des besinnungslosen Schwachsinns. Hier wühlt man nur noch in sich selbst herum oder im Low Price-Regal. Und hier zeigt der moderne Kapitalismus, was er verlangen darf: ein amöbenhaftes Pulsieren rund herum um beliebige Warenaufschüttungen. Dabei ist es ganz gleichgültig, in welcher Breite das Geld durch die Gesellschaft strömt: Etwas weiter oben, wo die Regale nicht mehr „Low-Price“ sind, sieht es kaum besser aus. Im Gegenteil, man ist dort manisch mit den monströsen Ritualen der Währung und ihrer wunderbaren Vermehrung befaßt. Man glaubt sich der heiligen Quelle des Wohlstandes ganz nah, wird bösartig, aufsässig und selbstherrlich. Und man fummelt wie weiter unten permanent an irgendwelchen Waren herum. Das etwa wäre „Normal 0", also die Ebene, auf der sich unser Alltag ereignet. Alle guten Geister haben den Bereich verlassen. 

Die Frage ist nun: Wie soll man darin leben, wenn einem die Begabung zur Niedertracht fehlt? Soll man sich in irgendeine Ecke kauern? Soll man Amok laufen (nichts wäre übrigens verständlicher!)? Soll man sich in eine Anstalt einweisen lassen? Soll man dankend auf die Fortsetzung seiner Existenz verzichten? 
  Es gibt zwei historische Rettungswege, die ebenfalls in Betracht kommen: Erstens der Kampf gegen das erniedrigende System. Dieser Weg steht leider nicht mehr zur Verfügung. Denn das System ist von so ungeheurer Korpulenz, daß seine Umrisse, die man doch kennen müßte, um darauf zu schießen, im Halbdunkel verschwimmen. Zugegebenermaßen ist die Luftzusammensetzung in der Umgebung einer brennenden Limousine eine bessere (weit über „Normal 0“). Man kann darin wahrscheinlich endlich durchatmen. Aber spätestens am nächsten Morgen ist alles beiseite geräumt und der Schweinestall tobt wie eh und je über die Brandstelle hinweg.
  Ich persönlich kenne kein ideologisches Werkzeug, das gegen das gigantische Geflecht des späten, totalen, in wütende Fäulnis übergehenden Kapitalismus mehr als ein intelligenter, etwas altmodischer Witz wäre. Der politische Kampf ist ein Heimatmuseum, ein Nostalgie-Verein. Nichts an diesem System ist noch irgendwie „politisch“ zu fassen. Politik ist ein fingierter Punching-Ball. Er hängt dort nur, damit wir uns sinnlos schwafelnd darin verbeißen sollen.

Der zweite historisch erprobte Rettungsweg wäre die Kunst. Ihr Versprechen ist Gegenwelt, und der Weg dorthin ist Eskapismus. Die Kunst wäre ein zweifelhafter, in alle Richtungen betrügerischer, instabiler, unseriöser, feiger und anmaßender Notausgang. Aber er müßte funktionieren und hat funktioniert. 
  Man kann vor eine dieser Vitrinen treten, die Beuys vor 40 Jahren mit irgendeinem Zeug beladen hat- und man blickt unversehens aus der „Normal 0“-Katastrophe hinaus auf wirkliche Dinge. Das ist Theater, aber es funktioniert. Oder Raymond Roussel: ein literarisches Gebäude ganz ohne Berührungspunkte mit der umgebenden Welt, ein freischwebender Kristall, von zahllosen Gängen durchzogen. Sowas ist natürlich Trickbetrug, aber es funktioniert.


Raymond Roussel, Illustration zu LOCUS SOLUS

Ich habe mich deshalb vor ein paar Jahrzehnten für diese Art von Arbeit entschieden, übrigens erst, nachdem die „politische Option“ sich erledigt hatte. Damit sind wir bei der Gegenwartskunst.
  Zuerst das Studium: ein Altersheim für Jugendliche, eine dumpfe Produktoptimierungs-Ausbildung. Gleich nach der Initiationsphase, die nichts anderes als eine rasche und beschämende Kastration ist, machen alle Studenten sich unermüdlich gegenseitig zur Schnecke, um zu vermeiden, daß irgendwer heimlich aus dem Laufstall klettert. Mir sind überhaupt nur drei, vier Kommilitonen begegnet, die nicht kleiner aus dem Studium hervorgegangen sind, als sie hineingekommen waren. Es geht ihnen heute samt und sonders überaus schlecht. Einer (vielleicht der eigensinnigste) hat sich noch nachträglich für die Irrenanstalt entschieden. Kurz, eine ungeheure Pleite. 
  Dann die Kunstszene: obenauf die Neureichen und ihre willigen Zuträger, ganz abscheuliche Existenzen darunter. Sie sprechen eine Sprache, wie sie niemals vorher innerhalb der Hochkultur gesprochen worden ist: sie sagen „Hironus Busch“, wenn sie Hieronymus Bosch meinen und „Stuff“, wenn sie von Malerei sprechen. Wie satte Flöhe sitzen dazwischen die Kuratoren, die jedes Kunstwerk, das in ihre Nähe gerät, solange mit den banalsten und am meisten unzutreffenden Deutungen besprühen, bis die Bilder mürbe und bedeutungslos von der Wand fallen. 
  Dann die vermeintlichen Kollegen im Zustand erprobter Reife: Nahezu vollständig gelähmt vom niemals verstummenden Geplapper der Vermittler, willige Gehilfen ihrer eigenen Erniedrigung.
  Hinter all dem erhebt sich schließlich der enorme Wall des Kunstmarktes, auf den ich ungläubig ein/zwei weitere Jahrzehnte aus rotgeränderten Augen hinstarre, ohne auch nur die geringste Spur von „Kunst“ darauf entdecken zu können. Statt dessen entdecke ich Charts und Umsatztabellen und strotzende Anmaßungen. Der ganze festlich illuminierte Wall wimmelt von Kaufleuten und noch niedrigeren Kreaturen, die dort irgendwelche Geschäfte abwickeln oder sich bemühen, bepackt mit Surrogaten und deprimierenden Modeartikeln, den schwammig umkämpften Gipfel zu erstürmen, auf dem offiziell immer großer Zahltag ist. Diese Schweine! So sieht sie leider aus, die Gegenwartskunst. Nichts davon ragt nennenswert über „Normal 0“ hinaus. Alles könnte auch gleich neben der CARE FOR HAIR-Filiale stattfinden.

Die Schwäche der Gegenwartskunst besteht darin, daß sie nicht die Kraft und Souveränität aufbringt, der kapitalistischen Jauchegrube zu entkommen. Sie erfindet keine neuen Begriffe, sie findet keine Notausgänge, keine Waffen oder Drogen, mit deren Hilfe wir unter den Bedingungen von „Normal 0“ besser über die Runden kommen könnten. Sie versucht gar nicht erst, den Kopf über den Rand der Grube zu bekommen. Sie bleibt drin liegen, vielleicht berauscht von soviel ungewohnter, geldwerter Aufmerksamkeit. Sie bezahlt die bequeme Lage lieber mit Siechtum und Verblödung. 
  Es verhält sich mit der Gegenwartskunst so, wie es sich damit unter sozialistischer Diktatur verhalten hat: Sie dekoriert ein System. Und alle, die drinsitzen, ignorieren die Tatsache, daß sie nicht in Freiheit arbeiten, sondern unter der Diktatur des totalen Marktes, unter der es nichts anderes mehr geben darf als „Markt“. Und wo man nichts anderes darf, als flehentlich darum zu betteln, möglichst schnell und gründlich zu Geld verbrannt zu werden. 
  Für viele, die sich mit einer Einäscherung zu Lebzeiten nicht abfinden möchten, wird die Kunst nicht nur kein Zufluchtsort mehr sein. Sie werden die Kunst mit Recht als ein weiteres strotzendes Symptom der Diktatur des Geldes identifizieren, als einen schändlichen Verrat, der uns den letzten Fluchtweg verschüttet hat. Jeder Künstler, der die Gegenwartskunst dafür nicht haßt, ist in Wirklichkeit keiner.



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20. Okt./ Esch

ESCH
Naja, hier zum Beispiel: X  (Link unten. LW.)
Hier hat man die Schwäche in voller Stärke. Spätestens, wenn man den Satz hört "Ich liieppe es!" (da, wo der halbfertige Geißbock verwackelt ins Bild kommt), weiß man Bescheid: es ist nur ein wenig Einzelhandel. Wahnsinnig beschämend!  Link



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22. Okt./ Claus Bulcke / LF-Z Berlin

Mein lieber Wanse! Leider muss man doch stark bezweifeln, daß das mittlerweile erfolgreich kongruierte, moralisch abgestumpfte und systematisch blind gemachte Wohlstandspublikum der Kulturszene noch in der Lage sein kann, die Symptome der kollabierenden Gegenwartskultur angemessen wahrzunehmen,  von Empörung oder gar Widerstand ganz zu schweigen. Der Sektor der Gegenwartskultur ist samt Publikum unter den gegebenen Umständen als „rettungslos verloren“ zu bezeichnen. Wir wissen das doch. Warum also hier diese alberne Umfrage? Bulcke

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22. Dez./ (Nachtrag)/ anonymer Kommentar Okt. 12

Ok, alles was hier steht stimmt vollkommen. Auch was sonst bei local fist steht. Jedenfalls schön, dass jemand mal die Wahrheit sagt. Aber die Frage ist doch, wie es dann weitergehen soll. Welche Zukunftsperspektive ergibt sich dadurch? Einfach hinschmeissen und die Kunst vergessen? Vielleicht klärt ihr das ja in der nächsten Umfrage. Ich kann es bis jetzt nicht beantworten.
P.M. Künstlerin, Berlin



02.10.12

AKTUELLES

ESCH
Endlich mal ´ne gute Nachricht aus der Populärkultur: Dirk Bach ist tot.

01.10.12

DIE KUNST DER RACHE

>EINE AUSSTELLUNG DER LOCAL FIST ZUR ARBEIT ERNST OPELS IN HANNOVER<


WANSE

Kunstausstellungen enttäuschen oft, kulturhistorische Ausstellungen dagegen selten. Wer nicht an der Besichtigung modischer Warensortimente interessiert ist, sondern tatsächlich an den Dingen der Kultur, meidet Galerien und sucht ein Hygiene-Museum auf oder die völkerkundlichen Sammlungen. Betrachtet man dort die Exponate so, wie man gewöhnlich Kunstwerke betrachtet, nämlich als souveräne Artefakte, zeigen sie sich den Produkten der Gegenwartskunst für gewöhnlich in jeder Hinsicht überlegen. Ein phantastisches Arsenal solcher Dinge, die fernab jeder Künstlerei entstanden sind, hat nun Claus Bulcke für die LOCAL FIST in einer kleinen Ausstellung für eine begrenzte Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In einem leerstehenden expressionistischen Backsteinklotz etwas außerhalb von Hannover sind bis zum 06. Oktober Objekte und Dokumente zur Arbeit Ernst Opels zu sehen.



Opel, 1954 in Eindhoven geboren, widmet sich mit seinen Mitarbeitern seit Jahren der „professionellen Ausübung systematischer Rache“. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Opel: „Erniedrigung des Einzelnen, Ungerechtigkeiten in jeder Form, Übervorteilung, Diebstahl und Verleumdung sind innerhalb der totalen Marktwirtschaft nicht Erscheinungen krimineller Randbereiche, sondern sie sind die substantiellen Bestandteile dieses Systems. Sie sind die Regeln, nach denen sich das Alltagsleben im Kapitalismus vollzieht. Wir tun nichts anderes, als hierauf mit den geeigneten Mitteln zu reagieren. Die Verteidigung des Individuums gegen die Gesellschaft ist für uns nicht Gegenstand soziologischer Untersuchungen, sondern eine technische und organisatorische Frage.“
  Ende 2010 wurden Opel und seine Mitarbeiter in die LOCAL FIST aufgenommen, und so mag die Ausstellung auch mit dem Ziel zustande gekommen sein, den Mitarbeitern der LOCAL FIST einen ersten Einblick in Opels „Technik der Rache“ zu eröffnen.

Formal gesehen ist die Schau eine jener heimlichen Hinterzimmer- Ausstellungen, wie es sie etwa unter den Bedingungen kommunistischer Herrschaft gab, eine typische SAMISDAT-Veranstaltung: Büromöbel wurden beiseite geräumt, Küchentische oder aufgebockte Terrarien dienen hier als Vitrinen, Dokumente wurden mit Stecknadel und Klebeband an der Wand befestigt. Ein Kleiderschrank ohne Türen dient als Standvitrine, in der sich Bücher, Matrizen-Abzüge, Photographien und Stadtpläne um eine Reise-Schreibmaschine herum stapeln.

Blick in die Ausstellung

Die Atmosphäre des Konspirativen steht in den beiden Ausstellungsräumen zum Schneiden dick. Man könnte sich keinen passenderen Rahmen für eine Ausstellung zur "systematischen Rache" vorstellen. Denn zweifellos spielen sich Opels Bemühungen in einer juristischen Grauzone ab: Er unternimmt langfristige Observationen, stellt Dossiers zusammen, sammelt private Daten, inszeniert fingierte Zufallsbekanntschaften, erkundet und vermißt private Grundstücke. Über weitere Einzelheiten wollen wir besser schweigen. 
  Dieser Teil seiner Arbeit ist in der Ausstellung ausführlich dokumentiert. Eine albtraumhaft monotone Serie von 30 Photographien zeigt jeweils den selben beleibten Herren beim Besteigen einer sportlichen Limousine. Lediglich das eingestempelte Datum läßt erkennen, daß es sich um Belege einer monatelangen Observation handelt. Es gibt entsprechende Bilderserien auch aus dem Inneren von Wohnungen und Büroräumen.
  Man kann davon ausgehen, daß auch die Veranstalter der rechtlich unsicheren Situation dadurch entsprechen wollten, daß sie die Ausstellung nur einer begrenzten Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.

Noch verständlicher wird diese Vorsicht beim Betrachten der Exponate, die Opels eigentliche „Technik der Rache“ präsentieren. Opel und seine Mitarbeiter gehen hier mit einem verstörend ausufernden Erfindungsreichtum zu Werke. Nur auf den ersten Blick beschränkt sich ihre Forschung dabei auf die Gebiete der Physik, Chemie oder der Pyrotechnik. 
  Je tiefer man nämlich in den Opelschen Kosmos eindringt, desto deutlicher wird, in welchem Maße hier die Psychologie der eigentliche Hintergrund aller Ermittlungen ist. Das Gefühl kalter Beklemmung, das einen beim Betrachten der technischen Exponate beschleicht, erweist sich als deren eigentliche Energieleistung. Man könnte ganze Baureihen der Opelschen Apparaturen treffend als „Albtraum-Generatoren“ klassifizieren: Eine schwarze Scheibe aus Pressglas, an deren Unterseite ein simpler Oszilator klebt, verrichtet ihre zermürbende Aufgabe heimlich vergraben unter einer Gehweg-Platte. Oder ein Bündel elektrifizierter Aluminiumstreifen liegt unsichtbar an der Unterkante eines ausgehöhlten Türblattes an, in dessen Füllung weitere, gegensätzlich gepolte Kontakte versteckt wurden. Man kann sich die physikalischen Effekte derartiger Vorrichtungen ausmalen und hätte damit ihre Wirkung doch nur teilweise erfaßt: Die verursachten Funktionsstörungen werden vermutlich geringer sein als der Schock, den ihre zufällige Entdeckung verursachen muß.

Photographien von "Sonden"

Es gibt Exponate, deren technische Funktion sich dem Laien völlig verschließt. Hier scheint die Arbeit Opels in einen halb magischen Bereich abzugleiten. So besteht die Baureihe der sogenannten „Sonden“, die in der Ausstellung eine lange Vitrine füllen, aus grob zugeschnittenen, schichtweise übereinander vernähten oder geleimten Folien banalster Herkunft (Wachstuch, Schuhsohlen, Medikamentenpackungen, Bast). Eine schöne aber wenig erhellende Photographie zeigt solche Gegenstände ausgestreut vor einem Garagentor.
  Auf einem weiteren Photo stehen drei Mitarbeiter Opels nachts in einem Hausgarten. Zwei von ihnen stecken in reichlich mißglückten Tierkostümen (offenbar war eine Eule gemeint), während der dritte ein Kabel oder eine Leine auszurollen scheint.
  Die Arbeit Opels ist nicht gerade arm an Momenten, die man pathologisch nennen könnte. Der persönliche Eindruck zerstreut solche Vermutungen aber ebenso gründlich wie Opels veröffentlichte Texte zur systematischen Rache. Man begegnet einem höflichen Menschen mit überaus klarem Verstand:

"Die vernünftigste und dem intakten Verstande am meisten entsprechende Reaktion auf die Bedingungen, unter denen wir unser Leben heute zu leben haben, ist abgrundtiefer, unversöhnlicher Hass auf jene, die solche Bedingungen zu verschulden haben oder von ihnen profitieren. Da wir die Bedingungen nicht ändern können, kommt es nun darauf an, diesen Hass produktiv werden zu lassen. Der nächstliegende Impuls ist Rache. Mehr vermag ich von hier aus nicht zu erkennen." (Ernst Opel, aus der Rede zur Eröffnung der Ausstellung) 

Eine schöne- und vor dem Hintergrund der restlichen Schau sehr tröstliche- Ergänzung bietet die Präsentation von Malerei aus der Sammlung Opels. Es handelt sich vorwiegend um Laienarbeiten und ganz zweitrangige Bilder meist klassizistischer Stilrichtung. Gemeinsam ist allen Darstellungen, daß sie lediglich den Himmel zeigen. Wo einmal mehr als das zu sehen war, hat Opel die Leinwände und Kartons eigenhändig zurecht geschnitten. Alle Arbeiten sind kleinformatig, er führt sie auf seinen Reisen in einer Aktentasche mit und ergänzt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch Flohmarktkäufe oder "spontane Enteignungen".

Die Sammlung Opel in der Ausstellung



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> Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Oktober in der Zweigstelle der LOCAL FIST in Hannover Vinnhorst zu sehen. Mitgliedern der LOCAL FIST und des Unterstützerkreises steht die Ausstellung täglich (außer So) von 16- 22 Uhr offen. Alle übrigen Interessenten werden gebeten, sich mit der LF-Z in Verbindung zu setzen (abt.zensur@local-fist.com)

> Weitere Informationen zu Ernst Opel finden Sie im Netz unter den "Sonderakten der LF-Z", dort unter "Sonstiges".

> Das Heft "Die systematische Anwendung der Rache als taktische Waffe im Kampf des Einzelnen gegen die Gesellschaft" von E. Opel können Sie über den Buchversand der LOCAL FIST bestellen. Anschrift siehe oben.